Making-of „Allergischer Schock“
WDR-Sendung Quarks – „Risiko Allergien: Wie können wir uns schützen?“
Schon 2014 haben wir als Familie für das WDR-Format Quarks einen intensiven Beitrag zum Thema Nussalllergie und Allergischer Schock gedreht (online noch verfügbar). Von daher hatten wir eine ungefähre Vorstellung davon, wie so ein Drehtag abläuft. Allerdings lagen die Dreharbeiten dieses Mal in anderen Händen, und es ist ja schon immer spannend, was da so auf einen zukommt… Jetzt, wo Quarks „Risiko Allergien: Wie können wir uns schützen?“ am 16.04.19 gelaufen ist, lüfte ich das Geheimnis 😉 um die Dreharbeiten im Februar:
Morgens um 10 sind sie da. Dass die Chemie zwischen uns und den Dreien (Wissenschaftsjournalist Jens Hahne, den ich schon von den Vorgesprächen kannte, sowie einem Kamera- und einem Tonmann) stimmt, wird schon beim ersten Kaffee klar. Danach geht es gleich zur Sache: Wo drehen wir das Interview? Wie ist das Licht? Der Platz zwischen Küche und Esstisch ist schnell entschieden, die Kamera füllt unsere kleine Küche, helles Tageslicht durch die schrägen Dachfenster von der einen und LED-Scheinwerferlicht (meine Güte, seit wann sind die Dinger so klein???) von der anderen Seite sorgen für Beleuchtung.
Und schon geht es los mit dem Anaphylaxie-Interview.
Man ist schnell beim „Du“, schließlich sind es ja sehr persönliche, emotionale und existentielle Erfahrungen, über die wir in der nächsten Stunde sprechen werden. Eindringlich schildere ich die anaphylaktischen Reaktionen unseres Sohnes, drei davon aus 2011 (die vierte bleibt außen vor, da sie bei einer stationären Provokation und nicht „in freier Wildbahn“ stattfand) und eine aus 2016, bei der wir den Pen gesetzt haben. Es ist klar, dass am Ende nur ein knapp 5-minütiger Beitrag zum Thema allergischer Schock daraus zusammengeschnitten wird, aber um Material und verschiedene Formulierungen zu haben, geht es mit immer neuen Fragen darum, was passiert ist, wie es unserem Sohn ging und vor allem, wie es mir damals ging. Ich kann heute, Stand 2019, sagen, dass ich alle Erlebnisse von damals gut verarbeitet habe und sie mich nicht mehr belasten. Aber eine Stunde intensiv darüber zu sprechen und immer wieder bewusst nach den damaligen Gefühlen gefragt zu werden, ist anstrengend und aufwühlend, das wird jeder nachvollziehen können, der ähnliche Situationen erlebt hat. Nun gut, ich tue das gern, weil ich weiß, dass es viele Menschen da draußen gibt, die sich ähnlich fühlen und denen es vielleicht hilft, zu hören, dass es anderen auch so geht bzw. ging. Und – mindestens genauso wichtig – weil es noch viel mehr Menschen da draußen gibt, die Allergien verharmlosen, die sich darüber lustig machen, dass Eltern konsequent (im Sinne von möglichst 100%ig) darauf achten, dass ihr allergisches Kind nicht mit noch so winzigen Mengen des Anaphylaxieauslösers in Kontakt kommt, und die wissen sollen, dass „Sonderwünsche“ im Restaurant nicht nur Modeerscheinungen von selbstgewählten „Zuckerfrei-glutenfrei-lactosefrei-aber-zum-Nachtisch-gönn-ich-mir-mal-einen-echten-Latte-mit-Donut“-Lifestylern sind*) und dass Eltern, die in der Kita oder Schule darum bitten, keine Nüsse oder Erdnüsse mitzubringen, nicht automatisch egozentrische Helikoptereltern sind!
Notfallset: Wie wird der Adrenalinpen gesetzt?
Nach einer kurzen Kaffeepause geht es weiter mit dem Dreh: Ich zeige, wie das Notfallset aussieht und wie der Adrenalinpen angewendet wird. Über eine Stunde lang werden die einzelnen Szenen mehrfach gedreht: Ich öffne das Notfallset, ich hole den Pen raus, ich öffne die Hülle und lasse den Pen aus der Hülle gleiten, ich ziehe die Sicherungskappe ab, ich setze mir selbst den (Trainer)Pen. Faszinierend, wie dabei unser alter Glastisch mittels einer LED-Lichtplatte in Szene gesetzt wird, wie unsere Milchglastür zum Hintergrund wird, wie eine Art Sandsack hilft, dass Positionen unverändert bleiben, wie nur kleine Winkelveränderungen sich auf Bildschärfe, Licht und Kontrast auswirken. Schließlich sind die Szenen im Kasten, und wir haben noch etwas Zeit, uns besondere Lebensmittelexemplare anzusehen.
„Spuren von Schalenfrüchten“?
Unterschiedliche Kitkat-Sorten, Salz oder Kaubonbons, die laut Deklaration unerwartet Spuren von Schalenfrüchten enthalten können. Die Relevanz solcher Spurenaussagen realistisch einschätzen zu können, fordert einiges an Hintergrundwissen – wer „Spuren“ meiden soll, meidet natürlich auch Salz, auf dem diese Spuren deklariert sind, ohne zu wissen, ob wirklich was drin ist. Diese Lebensmittel halten tatsächlich Einzug in die spätere Moderation, wenn auch leider ohne Hinweis auf die verwirrende „Spurenthematik“. Sei’s drum, die Botschaft kommt trotzdem an: Allergene (hier: Schalenfrüchte) können überall drin sein, und schon winzige Mengen reichen bei einer Allergie als Auslöser.
Noch nie gehört…
Zurück zum Drehtag: Mittags kommen die Kinder aus der Schule. Beim gemeinsamen Mittagessen (Kürbissuppe und Baguette – natürlich nussfrei sowie vegetarisch und nicht-vegetarisch) wird deutlich: Als Drehteam kommt man rum, lernt allerlei spannende Leute und vor allem besondere Geschichten kennen. Wie unsere, denn: Nein, dass schon kleinste Mengen von vermeintlich gesunden Nüssen lebensbedrohliche Reaktionen auslösen können, davon hatten die beiden mit Kamera und Ton vorher noch nie gehört, das hat sie durchaus beeindruckt…
Fußballer in Aktion
Anschließend geht es mit unserem Sohn weiter: Fußballtricks draußen. Vor der Garage? Nein, lieber auf der Terrasse, da ist der Hintergrund weitläufiger, empfiehlt der Kameramann. 30 Minuten den Ball kicken, zwischendurch das Objektiv der Kamera runterschießen, alles kein Problem, die Profis nehmen es mit Humor. Anschließend wird es anstrengend: Da angedacht ist, die von mir beschriebenen Anaphylaxie-Symptome anhand von Grafiken auf Frederiks Körper zu überblenden, werden Nahaufnahmen gemacht: Gesicht, Hals, Hand (Haut). Langes Stillstehen bei unter 10 Grad… Er hat das super gemacht! Und schließlich die letzte Szene: Ich öffne oben unser Dachfenster und rufe ihn rein; er macht sich von der Terrasse aus auf den Weg und geht aus dem Bild. Man glaubt ja nicht, wie aufwändig es ist, sowas aus zwei Perspektiven zu drehen!
Fazit:
Auch wenn viele der gedrehten Szenen im jetzt veröffentlichten Beitrag nicht vorkommen, war es ein spannender und zugleich aufwühlender Tag, und es hat großen Spaß gemacht, mit dem WDR-Team zu arbeiten! Wir sind froh und stolz, erneut Teil einer Quarks-Sendung über Allergien zu sein und so einen weiteren Beitrag zur Aufklärung und gegen die Bagatellisierung von Allergien zu leisten!
Und nicht zuletzt bin ich weiterhin froh und dankbar, dieses Trauma von damals in meine Mission umgewandelt zu haben, indem ich heute als Anaphylaxietrainerin Familien durch umfassende, praxisnahe und alltagserprobte Schulungen für das eigene Leben sowie für die Kita/Schule unterstütze und ihnen so erspare, was wir damals durchmachen mussten!
Vielen Dank an Jens Hahne und sein Team!
Herzlichst
Kristina Schmidt
P.S. Kann Spuren von Wissen enthalten!
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*) Damit sind NICHT die Menschen gemeint, die aufgrund von Zöliakie oder einer ärztlich diagnostizierten (!) Unverträglichkeit Gluten, Lactose, Fructose usw. meiden müssen!